nils abb 2010Sie hätte so schön werden können, die KW Berg-Cup und NSU-Bergpokal Saison 2020. Mit reichlich Rennen und starkem Einschreibeergebnis standen die Zeichen auf massig Bergsport mit höchstem Niveau. Auf den dürfen wir uns sicher weiterhin freuen. Die bange Frage lautet nur: Ab wann? Das kann uns zurzeit niemand auf dieser Welt schlüssig beantworten. Also bleibt nur die Suche nach einem Ersatz-Rennfeeling als Ausgleich. Wenn dieses wegen Corona nicht live geboten werden kann, müssen wir es eben mit Worten versuchen.

Dazu reisen wir in die jüngere KW Berg-Cup Geschichte, forschen in unserem Archiv nach Berichten über besondere Rennen zu unserer Meisterschaft. Und als Dreingabe schauen wir auch nach den ersten Ausgaben von Radio Fahrerlager und prüfen, ob es da eventuell noch bisher unveröffentlichtes Material gibt. Zum Einstieg in unsere lockere Reihe gehen wir heute knappe zehn Jahre zurück, rücken das Wochenende vom 11. bis zum 13. Juni 2010 in den Fokus, an dem eine kleine Abordnung von KW Berg-Cup’lern in Italien um Punkte kämpfte. Auslöser dieser Reise in den Süden war die Absage des Rennsteig-Bergrennens. Probleme mit dem Besitzer eines großen Teils der an die Strecke grenzenden Waldungen hatten dazu geführt. Auf der Suche nach einem Ersatzlauf fand Sportleiter Wolfi Glas in Italien offene Arme vor. Egidio Pisano half bei den Gesprächen mit dem Veranstalter, die ruckzuck einen positiven Abschluss fanden. Hier der Original Rennbericht von 2010. Kennt ihr noch alle darin vorkommenden Namen und Fahrer-Auto-Kombinationen?

Viel Spaß beim Lesen und (Wieder-)Entdecken. 

 

KW Berg-Cup

Die KW Berg-Cup Piloten werden in Italien stürmisch gefeiert

Italien war wirklich eine Reise wert. In diesem Punkt stimmte die Meinung der angetretenen 21 Berg-Cup Mitglieder – unabhängig vom persönlichen Rennergebnis – absolut überein. Denn die 41. Auflage des Klassikers „Verzegnis – Sella Chianzutan“ im Friaul bei Tolmezzo bot wirklich alles, was ein Bergrennfahrerherz mit maximaler Drehzahl schlagen lässt: Eine 5,6 Kilometer lange, hochselektive und mit mehr als 50 Kurven und Kehren gespickte Traumstrecke, die höchste Anforderungen an Mensch und Material stellt. Eingebettet in eine wunderschöne Berglandschaft, garniert mit gastfreundlichen Menschen und begeisterten Fans. Als Zugabe noch das interessante  Aufeinandertreffen mit den E1-Bergspezialisten aus Italien, Österreich und weiteren Nationen.

Valentin Schneider war der einzige in der Berg-Cup Truppe mit Streckenkenntnis. Alle anderen betraten Neuland, absolvierten fleißig jede Menge Besichtigungsfahrten und die zwei offiziellen Trainingsläufe. Dennoch war sich niemand sicher, den steilen Kurs mit seinem schnellen Wechsel von flüssigen, aber oft uneinsehbaren Kurvenkombinationen und engen Haarnadeln wirklich drauf zu haben. Jede Menge Raum und Potenzial also für weitere Zeitverbesserungen. In welchem Ausmaß, das musste der Renntag zeigen. Vier Berg-Cup Fahrer bekamen leider keine Gelegenheit mehr dazu, ihr Können im Wettbewerb unter Beweis zu stellen. Bereits im zweiten Trainingslauf kam es für Valentin Schneider und Dirk Preisser knüppeldick: Motorschaden am TSM Golf 16V und ein zerbröselter 3. Gang am bärenstarken Frank Kadett 16V bedeuteten für beide das frühe Aus.

Am Sonntag verließ das Rennglück noch vor dem ersten Wertungslauf auch Franz Weißdorn und Guido Peter. Mister Berg-Cup wollte seinen VW Polo 16V in der Startaufstellung nachtanken, konnte deshalb seine Startposition nicht einhalten und wurde von den Stewards hart, aber regelkonform, zurück gewiesen. Am 8-Ventiler Golf des Ruhpoldingers Guido Peter verhinderte eine nicht mehr lösende Differentialsperre den Start. In den beiden Rennläufen blieb die Berg-Cup Abordnung dann von weiterem Unbill verschont und präsentierte sich bestens aufgelegt. Gaststarter Torsten Voit gewann im „Rennfloh“ Fiat Cinquecento Sporting die 1150er Klasse als Alleinunterhalter. Ein entfesselt und befreit auffahrender Gerhard Moser dominierte bei den 1,4-Litern gleich im allerersten Einsatz im Kleiner-Polo 16V mit dem Motorradzylinderkopf  vor dem mit Reifenproblemen kämpfenden Berg-Cup Sportleiter Wolfi Glas im Minichberger-Polo 16V und dem Österreicher Andreas Lattner auf Suzuki Swift. Eine Hubraumklasse höher, bei den 1600ern, war der Italo-Schwabe Egidio Pisano mit seinem über den Winter auf 15 Zoll-Räder umgerüsteten Spiess-Golf 16V das Maß der Dinge, beherrschte die Konkurrenz in Training und Rennen gleichermaßen. Mit ihm auf das Siegerpodest stiegen als Zweiter der österreichische Golf-Pilot Robert Unger und als Dritter Hans Paulitsch bei seinem ersten Wiederantreten auf dem gelben Minichberger-Scirocco 16V. Auf den Klassenrängen sieben bis elf liefen 8-Ventiler Sieger Bernhard Schad im VW Golf; Cup-Neueinsteiger Tobias Auchter (Opel Corsa 16V); Klaus Knorra, der erstmals im Opel Kadett 8-Ventiler startende Teampartner von Stefan Faulhaber; Bernhard Sturm im VW Scirocco 16V und Slalom-Spezialist Nikolas Dietz (VW Golf 8V) ein.

Die Zweiliter-Klasse stand im Zeichen des Ländervergleiches Österreich – Deutschland mit den Top-Piloten Andreas Marko und Holger Hovemann. Wobei Streckenkenntnis und der Quattro-Traktionsvorteil aus den engen Kehren heraus als deutliches Plus in der rot-weiß-roten Datenaufzeichnung standen. Dennoch – oder gerade deswegen – zeigte Berg-Cup Abo-Sieger Hovemann genauso wie die anderen Berg-Cup‘ler einen unwahrscheinlichen Biss, steigerte sich von Lauf zu Lauf, powerte sich und den gelben Risse-Kadett 16V völlig aus, hielt in beiden Heats die Uhren unter der 3-Minuten Schallmauer an, zuletzt mit ultrastarken 2:57,95. Der Klassensieg ging aber nach Österreich, an Andreas Marko im ex-STW Audi A4 Quattro. „Ein paar Läufe mehr und es hätte anders ausgesehen. Ich finde noch genügend Stellen, die klar schneller gehen. Für mich steht fest: Ich komme nächstes Jahr wieder.“ So die Kampfansage des sechsfachen Berg-Cup Gesamtsiegers Holger Hovemann.

hovemann2010

Auf Rang drei lief nach einer souveränen Vorstellung Kfz-Meister Hansi Eller im Minichberger-Scirocco ein. Dieter Rottenberger musste in seinem BMW 318 i STW alle Register ziehen um Vierter zu werden. Erst mit einem Husarenritt im zweiten Lauf verdrängte er den einmal mehr groß aufgeigenden Norbert Wimmer im schnellen 8-Ventiler BMW 2002 auf Rang fünf. In dessen Windschatten folgte als Klassensechster der zweitschnellste 8-V’ler: Michael Rauch im weißen Briegel-Kadett, der sich nicht unerwartet zum hartnäckigsten Verfolger von Norbert Wimmer in der KW 8V-Trophy entwickelt. Auf der Acht dann Peter Naumann, dessen neu aufgebauter Polo G 60 beim Beschleunigen auf den Geraden zum Zick-Zack-Kurs tendierte, was der Landschaftsgärtner aber im Laufe des Wochenendes immer besser in den Griff bekam. Als zufriedener Dritter der 8V-Wertung und Zwölfter der Klasse beendete Sebastiano Pagano im gelben Briegel-Kadett den Auftritt in seinem Heimatland. Mehr als respektabel schlug sich Berg-Cup Neuling Bernhard Permetinger in der E1 über 2000 ccm. Im ex-Christian-Auer BMW M3 sicherte sich der Kfz-Mechaniker aus der Nähe von Salzburg Klassenrang drei hinter den Tourenwagen-Koryphäen Dan Michl (Opel-Michl-Speedster) und Franco Perini im Jägermeister ex-DTM Alfa Romeo 155 Ti V6.

Bei der Siegerehrung auf dem Zielparkplatz sah man dann nur mehr strahlende Gesichter. Und hörte eine einheitliche Aussage: „Bella Italia, Mille Grazie für dieses Wochenende. Wir kommen wieder.“ Um dann vielleicht noch mehr Erfolg zu haben wie bei der Auflage 2010, bei der sich die Berg-Cup Crew auf Anhieb Platz zwei der Mannschaftswertung sicherte.

Allgemeine Gruppen und Gesamtwertung

Für Abwechslung unter den 188 Startern sorgten die 35 Teilnehmer bei den historischen Automobilen. Die wahre Schätze der automobilen Geschichte nach Verzegnis brachten. Der bunte Reigen spannte sich vom Autobianchi und Steyr-Puch Berg-Spyder bis hin zu Boliden des Kalibers Ferrari 250 GT oder De Tomaso Pantera. Die allerschnellsten Zeiten in diesem Feld setzte Uberto Bonucci vor Luigi Bormolini, beide mit Osella PA 9 unterwegs. Die Fraktion „mit Dach“ sicherte sich auf einem Porsche 911 RS Massimo Guerra. Dahinter gab es einen beinharten Fight zwischen den Rallye erfahrenen Ford Escort RS Piloten Rino Muradore und Max Lampelmaier, der erst im zweiten Lauf entschieden wurde. Max Lampelmaier, der Ford-Händler aus Mattsee in der Nähe von Salzburg riskierte zu viel, beklagte mehrere Quersteher und musste Rino Muradore passieren lassen.

Der italienischen Gruppe E3 – vergleichbar in etwa mit unserer CTC/CGT – drückte Lino Vardanega in seinem BMW M3 E36 den Stempel auf. Am nächsten kamen ihm Mauro Argenti (Porsche 964 RS) und Andrea Lombardi auf einem weiteren BMW M3.

Die Gruppe N sah zwei Mitsubishi Lancer in Front. Den Sieg heftete der Österreicher Dieter Holzer an seine Fahnen. Auf Rang zwei dann die zierliche, frühere Formel 3000 Pilotin Gabriella Pedroni, die auch die Damenwertung für sich entschied. Auf Gruppenplatz drei bereits der schnellste 2-Liter Fahrer: Lorenzo Mercati auf einem Renault Clio RS.

Zwei Allradler gaben auch in der Gruppe A den Ton an. Fausto Chiappo fuhr sich mit seinem Peugeot 206 WRC zum Erfolg. Mit auf das Gruppe A Podest stiegen der Ungar Laszlo Hernadi (Mitsubishi Lancer Evo 8) als Zweiter und der schnelle „Romy“ als Dritter. Im schwarzen Honda Civic gewann er auch die 2-Liter Gruppe A.

Und die Gesamtwertung? Hier sorgte der ganz zum Schluss einsetzende Regen doch noch für leichte Verschiebungen, ließ insbesondere Hermann Waldy auf den ungewohnten Rang 16 abstürzen. Tiziano Ferrais behielt im Ferrais CH2 die Nerven und machte in 6:14,08 und einem Schnitt von 129,3 km/h alles klar. Hinter ihm platzierte sich Stefano Gazziero im Reynard Formel Nippon. Auf Gesamtrang drei bereits der schnellste Tourenwagen: Dan Michl vom Czech National Team im Opel Speedster. Dann wieder zwei Sportwagen in Form von Osella PA 21. Stefano Peroni und Giulio Perosa sichern sich in dieser Reihenfolge Rang vier und fünf. Fulvio Giuliano wuchtet den ultrabreiten Lancia Delta Evo auf Platz sechs Gesamt und wird Tourenwagen-Zweiter. Die Top-Ten komplettieren Gianni Urbani (Osella PA 21S); Adolfo Bottura (Tatuus Master); Franco Perini (Alfa Romeo 155 Ti V6) und Marietto Nalon auf einem Lola T99/50.

Uli Kohl, Juni 2010