Neue Welt für KW Berg-Cup Gesamtsiegerin Claire Schönborn: Rallye

Während wir Bergrennsportfans noch aufmerksam ihren Weg durch die 36. Saison des KW Berg-Cups verfolgten, erschloss sich Claire Schönborn parallel zu ihrem Engagement im flotten Gipfelsprint eine neue Welt namens Rallye. Ganz unbekannt war diese der 25-Jährigen Ingenieurin aus dem Hunsrück nicht, durch Kontakte zu regionalen Motorsportclubs und aktiven Piloten war sie mit dem Thema durchaus vertraut. Selbst probiert hatte sie das Fahren nach Ansage allerdings noch nie. Wie es dann doch dazu kam, das ist eine eigene Geschichte.

Vor 11 Jahren drehte Claire Schönborn erstmals bei einem Wettbewerb an einem Lenkrad. Zuerst im Kart- und, sobald möglich, auch im Automobilslalom. 2022 kam sie, ganz der Familientradition folgend, an den Berg. Im 2-Liter VW Golf 1 STW, zunächst im Team mit Papa Rainer. Just in ihrem Gipfelsprint-Einstiegsjahr gelang ihr nebenbei ein ganz besonderer Coup. Bei den FIA Motorsport Games in Frankreich auf dem Circuit Paul Ricard setzte sie sich im Team mit Marcel Hellberg gegen 24 weitere Mannschaften durch, holte die Slalom-Goldmedaille für Deutschland. Ihre Belohnung dafür erhielt sie diesen August. Einen Gaststart bei der Rallye Stemweder Berg im Rahmen des auf identischen, voll elektrisch angetriebenen Opel Corsa ausgetragenen ADAC Opel Electric Cup. Gleich auf der ersten Bestzeitprüfung (WP) ließ Claire im routinierten Feld mit der sechsten Zeit aufhorchen. Am Ende belegte sie mit Copilotin Lisa Kiefer Rang acht. Die neue Welt machte Spaß. Was zur Bewerbung für das vom WRC-Promoter ausgeschriebene Women’s Driver Development Programme führte, das zum Ziel hat, nächstes Jahr eine junge Pilotin vollfinanziert in die WRC3 Rallye-Weltmeisterschaft zu bringen. Claire wurde als eine von 15 ausgewählten Bewerberinnen zum Finale in die Zentrale von M-Sport Polen eingeladen. Eine Jury suchte nach den besten Drei, denen die Teilnahme am WRC-Lauf Central European Rally auf einem Ford Fiesta Rally3 winkte. Die Sichtung dauerte drei Tage, auf den Prüfstand kamen Fitness, Medienarbeit und technische Fertigkeiten, gefolgt von einem Aufschrieb-Workshop. Erst danach ging es ins Auto. Beginnend mit Asphalt, anschließend auf Schotter, oder genauer gesagt auf eine schlammige Waldpiste, zu bewältigen mit 235 Turbo-PS, Allradantrieb und 415 Newtonmetern. Am Ende gehörte Claire Schönborn zum Erfolgs-Trio, neben der Belgierin Lyssia Baudet und der Finnin Suvi Jyrkiäinen, die sich beide auf wesentlich mehr Rallye-Erfahrung stützen konnten.

Also mit null Routine auf dem Ford Fiesta Rally3 direkt von einem einzigen Einsatz im Opel e-Corsa direkt zum Weltmeisterschaftslauf durch drei Länder, mit mehr als 300 WP-Kilometern? Puh, echt eine ganz heiße Nummer! Also versuchte Claire mit Hilfe von Familie und Freunden das Budget für eine Teilnahme an der Herbstrally Dobersberg zusammen zu bekommen. Das gelang, zusammen mit Jara Hain auf dem rechten Sitz sicherte sie sich im österreichischen Waldviertel den dritten Rang bei den RC3-Autos, schaffte Gesamtplatz 20, schöpfte weitere Routine mit dem Allrad-Ford.

Nahtlos ging es mit Jara Hain weiter zur CER. Zwei Tage Aufschrieb erstellen, vier Tage im Cockpit. Fordernd und anstrengend. Über selektive, zum Teil feuchte bis nasse Straßen, rutschig und schmierig, morgens garniert mit Nebel. Allerhöchste Anforderungen für eine Neueinsteigerin. Claire glänzt bei der Auftaktprüfung, ist schnellste der Drei aus dem Promoter-Programm. Danach wird es eng mit Lyssia Baudet. Auf WP 6 lahmt der Fiesta, der Benzindruck passt nicht mehr. Über Nacht kann das Problem beseitigt werden. Auf den 6 WPs des Samstags zeigt Claire Schönborn eine souveräne, fehlerfreie Leistung. Ihre Mitbewerberinnen hadern mit Problemen. Lyssia Baudet trifft ein Verkehrsschild, strandet mit Aufhängungsdefekt. Suvi Jyrkiäinen rutscht in einen Graben, beschädigt dabei den Kühler. Der Sonntag, im aktuellen Rallye-Jargon Super Sunday genannt, hält noch vier WPs über 54,08 Kilometer bereit. Die Finnin Suvi Jyrkiäinen gerät erneut in Trouble und ist damit aus dem Spiel. Also läuft der große Showdown zwischen Claire Schönborn und Lyssia Baudet. Zweimal ist Claire die schnellere, zweimal Lyssia. In der Addition liegt Claire um 1,1 Sekunden vorne. Diese Ausgeglichenheit stellt die Jury vor eine knifflige Aufgabe. Wer soll denn nun nächstes Jahr als geförderte Pilotin in die WRC3? Echt schwierig! Die Entscheidung ist überraschend. Sie wird einfach vertagt. Claire und Lyssia sind die Siegerinnen 2024. Als solche dürfen sie beide bei der Schweden Rally 2025 an den Start gehen. Dort, auf Eis und Schnee, soll sich final heraus kristallisieren, wer in die WRC3 2025 geschickt wird.

Die Berg-Cup Familie gratuliert Claire herzlich zum bisher Erreichten und drückt ihr fest die Daumen für Schweden und die weitere Saison 2025. Und wie immer diese aussehen mag, ganz auf den flotten Gipfelsprint verzichten wird sie auf keinen Fall. Das hat sie fest versprochen.

Uli Kohl, 24.10.2024   





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